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Motorradreise Chile: Reisebericht Teil 7 - Parque Nacional Laguna San Rafael

Im Winter 2019/2020 war ich zwölf Wochen mit dem Motorrad in Argentinien und Chile unterwegs. Dies ist der siebente von siebzehn Reiseberichten. Von Puerto Río Tranquilo geht es in den Parque Nacional Laguna San Rafael. Dort erkunde ich mit dem Motorrad das Valles Exploradores, nehme an einer zweitägigen Tour zum San Rafael Gletscher teil und gehe auf dem Exploradores Gletscher wandern.

 

Hier geht es zu Teil 6 des Reiseberichts.


Samstag, 28. Dezember 2019

Tag 29: Puerto Río Tranquilo bis Valle Explordores (44 km)

Valle Exploradores

In den nächsten Tagen stehen zwei Touren im Parque Nacional Laguna San Rafael auf dem Programm. Ich werde an einer zweitägigen Tour zum San Rafael Gletscher teilnehmen, der nur mit dem Boot zu erreichen ist. Außerdem habe ich eine Gletscherwanderung auf dem Exploradores Gletscher gebucht.

 

Da die Bootstour früh morgens am Ende des 75 Kilometer landen Valle Exploradores startet und das Tal selbst sehr sehenswert ist, möchte ich die Nacht im Tal verbringen. Im Vorfeld habe ich bereits im Hostal Alacaluf eine Unterkunft reserviert, das ungefähr in der Mitte liegt und von deutschen Auswanderern betrieben wird.

 

Für die 44 Kilometer bis zum Hostal nehme ich mir viel Zeit, denn unterwegs gibt es einiges zu sehen. Die Piste führt an Seen, hängenden Gletschern, schneebedeckten Bergen und Wasserfällen vorbei.

 

Außerdem sind noch die Auswirkungen eines gewaltigen Gletscherseeausbruchs zu sehen, bei dem ein Teil des Tals überflutet wurde. Es ist ein neuer See entstanden, aus dem nun abgestorbene Bäume herausragen. Die Straße wurde aufgeschüttet und führt mitten durch den See. Die Szenerie wirkt surreal auf mich. 

 

Gegen Mittag erreiche ich das Hostal Alacaluf. Ursprünglich wollte ich hier zelten. Doch aufgrund gestiegener Auflagen hat man den Betrieb des Zeltplatzes leider einstellen müssen. Es werden nur noch Zimmer vermietet. Da diese auch schon belegt sind, komme ich in einer noch nicht ganz fertiggestellten Hütte unter.

Das Hostal liegt mitten im Urwald. Katrin und Thomas haben sich hier vor vielen Jahren ihren Traum erfüllt. Ihr Plan war, im Sommer so viel Geld zu verdienen, dass es für den Winter reicht. Doch es gab einige finanzielle Rückschläge zu verkraften, so dass das geplante Restaurant und die Hütten bisher nicht fertiggestellt werden konnten. So werden die Gäste nach wie vor im eigenen Wohnzimmer bewirtet.

 

Aufgrund des Gletscherseeausbruchs war zum Beispiel eine komplette Saison weggefallen, da das Hostal nicht mehr erreichbar war. Durch die Unterbringung von Wissenschaftlern, die den Ausbruch untersuchten, konnte die Einnahmeverluste etwas ausgeglichen werden. Aufgrund der gewaltsamen Proteste im Land, verzeichnen sie in diesem Jahr jedoch wieder deutlich weniger Touristen als üblich.

 

Hinsichtlich Strom und Wasser sind Katrin, Thomas und ihre Tochter Daniela Selbstversorger. Auf einem Berghang erzeugt ein Wassergenerator Strom. Das Wasser stammt aus dem gleichen Bach. 

 

In der Nähe des Hostals startet ein von Thomas angelegter kleiner Wanderweg. Diesen absolviere ich, nachdem der Regen nachgelassen hat. Er führt mitten durch den Urwald. Ich bin fasziniert von den vielen Grüntönen.

 

Im Anschluss helfe ich bei der Vorbereitung des Grillabends. Bei den weiteren Gästen handelt es sich um eine vierköpfige Familie aus Deutschland. Bei leckerem Gegrillten und Bier stellen wir fest, dass der Vater in Rendsburg aufgewachsen ist, wo ich seit knapp zehn Jahren lebe. Die Welt ist ein Dorf!

 

Am Abend wird es dann emotional. Katrin ist besorgt über die Unruhen und Demonstrationen im Land. Sie befürchtet, dass eine neue Diktatur entstehen könnte. Sie möchte nicht wieder wie in der DDR im eigenen Land eingesperrt sein. Thomas sieht dies etwas gelassener.

 

Die Tochter Daniela möchte gerne einmal Deutschland besuchen. Doch die Familie hat nicht das Geld, um gemeinsam nach Deutschland zu reisen. Aufgrund der Gesetzeslage in Chile kann ein Elternteil nur mit notarieller Beglaubigung des anderen mit dem Kind das Land verlassen. Die Tochter ist noch zu jung, um alleine auf Reisen zu gehen. Sie würden gerne den Wunsch ihrer Tochter erfüllen, können dies jedoch derzeit nicht.


Sonntag, 29. Dezember 2019

Tag 30: Laguna San Rafael (41 km)

Anreise zur Laguna San Rafael

Für die knapp 41 km bis zur Bahia Exploradores benötige ich knapp eine Stunde. Da ich etwas spät dran bin, habe ich keine Zeit für Zwischenstopps. Diesen Teil des Tals werde ich mir auf der Rückfahrt genauer anschauen.

 

Mit zwei Booten mit jeweils 12 Passagieren, einem Kapitän und einem Guide brechen wir etwas verspätet auf. Einige Gäste haben die Dauer für die Anfahrt unterschätzt. Die Fahrt bis zur Lagune dauer etwa zwei Stunden. Nachdem tiefes Wasser erreicht ist, dürfen wir nach draußen und können die vorbeiziehende Landschaft genießen. Es werden Tee und Snacks gereicht.

 

In der Lagune angekommen, werden zunächst einige Eisberge bewundert. Im Anschluss legen wir an. Hier treffe ich auf Cristian und Eduardo, meine Guides für die nächsten 24 Stunden. Ich bin der einzige, der die Tour mit Übernachtung im Park gebucht hat. Die anderen Passagiere machen einen kurzen Rundgang, um dann mit dem Boot zum Gletscher zu fahren.

Wanderung zum Gletscher San Rafael

Der Wanderweg zur Hütte steht aufgrund der Regenfälle der vergangenen Tage stellenweise ordentlich unter Wasser. Der Weg wird links und rechts von dichtem Gestrüpp flankiert. Der einzige Weg führt somit manchmal nur durch das Wasser. Die Guides sind vorbereitet und haben Gummistiefel an, ich jedoch nicht. Zum Glück halten meine Schuhe nahezu dicht. 

 

Ich werde wenig später vor die Wahl gestellt. Wir können weiterhin dem breiten Weg folgen oder einen schmalen Weg durch das Unterholz nehmen. An den Gesichtern der Guides erkenne ich, dass ich mit dem schmalen Weg die "richtige" Entscheidung getroffen habe. Der Weg ist zugewachsen. So kämpfen wir uns durch das Dickicht mit riesigen Farngewächsen. Eine tolle Erfahrung.

 

In der kleinen, gemütlichen Hütte stehen bereits einige Snacks bereit. Nach einer Stärkung und kurzen Pause brechen wir zum Aussichtspunkt auf. Der Weg führt durch Wald einen Berg hinauf. Unterwegs gibt es einige freie Stellen mit tollen Ausblicken auf die Lagune.

 

Während der Wanderung erzählt mir Cristian viel über Flora und Fauna. Er hat ein sehr gutes Auge für die Natur. Er entdeckt seltene Frösche und weist mich auf Dinge hin, an die ich sonst einfach vorbei gelaufen wäre. Außerdem kann er den Vogel Chucao gut imitieren, so dass er die neugierigen Vögel aus dem Wald locken kann.

 

Es gibt Treppen und Stege, die aufgrund der Feuchtigkeit rutschig und stellenweise morsch sein können. Daher müssen wir etwas vorsichtig sein. Gegen 15:30 Uhr erreichen wir schließlich den Aussichtspunkt.

Von hier haben wir einen guten Blick auf den San Rafael Gletscher und die Lagune. Die Front des Gletschers ist etwa 3 km breit. Aus der großen Entfernung ist dies nur schwer vorstellbar. Wenig später veranschaulichen ein Propellerflugzeug und ein kleines Boot die riesigen Dimensionen der Gletscherzunge.

 

Die Propellermaschine fliegt den Gletscher einige Male in spektakulären Manövern ab. Vermutlich befinden sich Touristen an Bord. Das riesige Flugzeug wirkt winzig vor dem Gletscher.

 

Während unseres Aufenthalts können wir einige Gletscherabbrüche beobachten. Zwischen Sehen und Hören vergehen aufgrund der Entfernung einige Sekunden, ähnlich wie bei Blitz und Donner eines Gewitters in großer Entfernung. Umgekehrt bedeutet dies, wenn man einen Abbruch hört und sich dann erst umdreht, ist es quasi schon vorbei.

 

Cristian und Eduardo bereiten ein leckeres Picknick vor, bei dem wir die spektakuläre Aussicht genießen. Erstmals probiere ich Mate-Tee und erhalte einen Einblick in die vielen Konventionen, die es zu beachten gilt. Für mich ist der Geschmack des Tees etwas zu bitter.

 

Gegen 17 Uhr machen wir uns auf den Rückweg. Ich finde es gut, dass es keinen festen Zeitplan gibt. Cristian schlägt mir einige Optionen vor und ich kann dann frei entscheiden. Wir hätten hier noch etwas länger bleiben können. Cristian möchte mir jedoch noch einen Weg zur Lagune zeigen, für den morgen keine Zeit bliebe.

Nach dem fantastischem Abendbrot habe ich Zeit für mich. Ich erkunde auf eigene Faust die nähere Umgebung und treffe auf Eduardo, der schon einige Fische gefangen hat. Er fragt mich, ob ich noch Fisch essen möchte. Ich muss leider ablehnen, da ich absolut keinen Hunger habe.


Montag, 30. Dezember 2019

Tag 31: Laguna San Rafael (41 km)

San Rafael Gletscher

Auch beim Frühstück gibt es reichlich Auswahl. Es wird Pfannenbrot frisch zubereitet, das mit Wurst, Käse, Marmelade oder Rührei belegt werden kann. Cristian gibt sich echt Mühe, dass mir an nichts mangelt. Mit soviel Luxus habe ich nicht gerechnet.

 

Auf wem Weg zurück zur Anlegestelle machen wir einen Abstecher zu einem kleinen Wasserfall. Cristian möchte Eduardo zeigen, wo das Wasser für die Hütte herkommt, für den Fall, dass es Mal Probleme geben sollte. Eduardo verabschiedet sich dann plötzlich von mir. Er müsse zurück zur Hütte, um diese für die nächsten Gäste vorzubereiten.

 

Im Anschluss besichtigen wird die Ruinen des Hotel San Rafael. Das Warten auf die Boote vertreiben wir uns dann mit einem kleinen Picknick am Wasser. Hier entdecken wir zwei Delphine. In der Lagune herrscht heute reger Betrieb. Ein Kreuzfahrtschiff, eine Jacht und weitere Boote liegen in der Lagune.

 

Bei der Verabschiedung bedankt sich Cristian noch einmal dafür, dass ich die Tour gebucht habe. Denn so konnte er Zeit in diesem tollen Park verbringen. Im Gegenzug bedanke ich mich für die vielen Informationen und die netten Gespräche über Land und Leute und gebe ein großzügiges Trinkgeld.

 

Mit dem Boot geht es dann bis zu einen Kilometer an die Gletscherfront heran. Zunächst ist der Gletscher sehr ruhig, doch dann brechen immer mehr Brocken ab und fallen tosend ins Wasser. Später kommt die Sonne hervor, so dass der Gletscher kontinuierlich seine Farbe ändert.

 

Eine beliebte Tradition auf Gletschertouren ist, Gletschereis einzusammeln und anschließend Whiskey mit Eiswürfeln zu reichen. Alternativ kann man auch ein größeres Eisstück mit einer Vertiefung als Schnapsglas benutzen. Auch auf dieser Tour fehlt dies natürlich nicht.

 

Nach etwa zwei Stunden machen wir uns auf den Rückweg. Aufgrund des besseren Wetters ist die Aussicht während der Fahrt viel schöner als auf der Hinfahrt. So können wir diesmal auch einige Berggipfel im Nationalpark sehen. Auch Guide und Kapitän sind mit Leidenschaft dabei. Sie haben Spaß bei ihrer Arbeit, kümmern sich um das Wohl der Gäste und versorgen uns mit reichlich Informationen. Gegen 16:30 Uhr kommen wir schließlich in der Bahia Exploradores an.

Valle Exploradores

Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel wirkt das Valle Exploradores viel freundlicher, da es nicht mehr so düster erscheint. Die schneebedeckten Berge kommen nun wundervoll zur Geltung. Nun kann ich nachvollziehen, warum man sich hier ein Haus hinbaut. Es ist echt schön hier.

 

Am Abend führe ich im Hostal Alacaluf ein längeres Gespräch mit Thomas. So erfahre ich unter anderem mehr über den Gletscherseeausbruch, über das Wetter im Valle Exploradores und über die Politik in Chile.


Dienstag, 31. Dezember 2019

Tag 32: Valles Exploradores bis Puerto Río Tranquilo (60 km)

Exploradores Gletscher

Der Startpunkt der Gletscherwanderung liegt am Büro der Parkverwaltung, das nur wenige Kilometer vom Hostal Alacaluf entfernt ist. Nachdem ich mich umgezogen und meine Sachen im Van des Veranstalters verstaut habe, einen Rucksack mit Steigeisen und Verpflegung erhalten habe, brechen wir auf. Meine Gruppe besteht aus drei Personen und unserem Guide Felipe.

 

Zunächst führt der Weg durch einen schönen Wald. Dann folgt eine Moränenlandschaft. Unter uns befindet sich bereits Eis, das jedoch von einer Schicht aus Sand und Steinen bedeckt ist. Hier müssen wir auf so genanntes "Black Ice" achten, das aussieht wie der Untergrund und extrem glatt ist. Das Wetter ist richtig gut und wir können während der Wanderung atemberaubenden Ausblicke genießen.

Gletscherwanderung

Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir den Punkt, ab dem es nur mit Steigeisen weitergehen kann. Es folgt eine kurze Einweisung in die Technik. Danach wird es immer interessanter. Wir verbringen knapp zweieinhalb Stunden auf dem Eis und erkunden viele verschiedene Eisformationen. Highlight ist für mich eine Höhle aus Eis, in wie wir hineingehen können. Viele verschiedene Blautöne und die tolle Struktur der Eiswände ziehen mich in ihren Bann.

 

Der Rückweg dauert etwas länger. Die junge Frau war bereits auf dem Hinweg erschöpft, hat dann aber auf dem Eis gut mitgezogen. Nun ist ihre Erschöpfung deutlich sichtbar. Sie muss oft Pausen einlegen. Aufgrund der vielen nervigen Moskitos ist sie nicht nur erschöpft, sondern auch ziemlich genervt. Ihr Partner kann jedoch damit gut umgehen. 

 

Beim Wechsel von Wander- in Motorradbekleidung fressen mich die Moskitos förmlich auf. Ich beeile mich und ergreife die Flucht. Auf meinem Weg nach Puerto Río Tranquilo lege ich nur wenige Stopps ein.

Silvester

In Puerto Río Tranquilo übernachte ich wieder im gleichen Hotel. Am Abend lasse ich mir ein leckeres Silvestermenü schmecken. Im Anschluss laufe ich durch den Ort auf der Suche nach einer Bar. Doch alle sind geschlossen.

 

Silvester wird in Chile im Kreis der Familie oder mit mit Freunden verbracht. Es wird oft ein Asado als Festmahlzeit praktiziert. Daher haben Kneipen und Restaurants in kleinen Orten oftmals geschlossen. In diesem Teil Patagoniens gibt es auch kein Feuerwerk. Böller werden ebenfalls nicht gezündet.

 

Der Jahreswechsel ist somit sehr ruhig. Lediglich um 24 Uhr geht kurz die Sirene an, um das neue Jahr zu begrüßen. Zu diesem Zeitpunkt liege ich jedoch bereits im Bett.


Mittwoch, 1. Januar 2020

Tag 33: Puerto Río Tranquilo bis Argentinien (234 km)

Lago General Carrera

Heute soll es für mich wieder nach Argentinien gehen. Die 50 Kilometer der Carretera Austral bis zum Abzweig auf die Straße 265 nach Chile Chico  fahre ich durch, weil ich diesen Abschnitt schon einige Male gefahren bin.

 

Die Piste 265 führt am Lago General Carrera entlang und ist stellenweise eine richtige Buckelpiste. Viele Schlaglöcher und starkes Wellblech schütteln einen ordentlich durch. Lohn für die Strapazen sind die tollen Aussichten auf den blauen See und die schneebedeckten Bergen am Horizont. 

 

Der Grenzübertritt auf chilenischer Seite läuft fast reibungslos. Wieder einmal ist der Stempel noch auf den Vortag eingestellt. Um Probleme auf argentinischer Seite zu vermeiden, lasse ich dies korrigieren. Auf argentinischer Seite dauert es dann etwas länger. Beim Auto vor mir gibt es scheinbar Probleme mit dem Zoll. Nachdem diese geklärt sind, kann ich endlich weiter fahren.


Hier geht es zu Teil 8 des Reiseberichts.


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